Venjakob

Mehr Energie ohne teure Trafos – Stationäre Energiespeicher von SEW-Eurodrive

Stationäre Energiespeicher sind ein wirkungsvolles Mittel, um ­Lastspitzen in der Produktion zu senken. Davon profitieren vor allem dynamische Applikationen, bei denen die Antriebe ständig beschleunigen und abbremsen müssen. Wie ­effektiv dieser Aufbau – konzipiert von SEW-Eurodrive – funktioniert, zeigt die Reportage des Fachmagazins „Möbelfertigung“ über das Möbelmeile-Mitglied Venjakob.

Runter mit den Lastspitzen und mehr Erweiterungsspielraum ohne kostspielige Trafoinvestitionen. Kompakte Kondensatoreinheiten wirken wie ein Booster, die dem angeschlossenen Antriebssystem beim Beschleunigen zusätzliche Energie verabreichen. Beim Bremsen wiederum puffern sie die generatorische Energie. Auf diese Weise bleibt die Energie weitgehend im System erhalten – was letztlich dem Lastmanagement und der Energieeffizienz zugutekommt.

Da liegt sie auf dem Tisch: Die Investitionsfreigabe für eine neue Anlage. Die Spezifikation steht, der Lieferant ebenfalls. Und bei aller ­Euphorie und der Vorfreude auf die neue Produktionsstraße, die so schön schnell und präzise laufen soll, kommt irgendwann betreiberseitig die bange Frage in Richtung Maschinenbauer: „Wie viel Strom braucht ihr denn?“ Wenn der Trafo der eigenen Mittelspannungsversorgung bereits im oberen Drittel seiner Leistungsfähigkeit arbeitet, kann so eine Frage nach dem Energiebedarf schnell den Charakter eines Spielverderbers bekommen. Dass so eine Situation keinesfalls theoretischer Natur ist, sondern eine ganz reale Herausforderung, zeigt sich beim ostwestfälischen Möbelbauer Venjakob. Das traditionsreiche Unternehmen aus Gütersloh plante den Bau einer neuen Kantenbearbeitungsstraße in Kombination mit drei Linearportalen (XZ) mit Drehachse für das Materialhandling der Holzplatten. Mit der Investition unternimmt Venjakob einen großen Schritt weiter in Richtung Losgröße 1 und der damit einhergehenden Notwendigkeit nach Flexibilität.

Tradition trifft Handwerk

Mehr als 200 Menschen arbeiten für den 1935 gegründeten Möbelhersteller. Prägend für die ­Philosophie von Venjakob ist die Verknüpfung des traditionellen Manufaktur-Gedankens mit modernen Fertigungsmethoden. Es sind Handwerk, Präzision, Qualität und Liebe zum Detail aus denen bei Venjakob auf einer Produktionsfläche von 35.000 Quadratmetern vor allem Stühle, Ess- und Couchtische sowie Kastenmöbel für den gehobenen Möbeleinzelhandel entstehen. „In diesem Segment sind wir gut unterwegs“, sagt Josef Lieks, technischer Leiter von Venjakob.

Der erfolgreiche Möbelbauer ­differenziert sich einerseits über hochwertige Hölzer, Holzwerkstoffe und das Design in Kombination mit einer hohen Qualität. Andererseits zählen auch kurze Lieferzeiten – und dies mit einer kundenindividuellen Fertigung. Die vornehmliche Anforderung an die Kantenbearbeitungsanlage war eine kommissionsweise Abwicklung von Aufträgen. Dadurch wird es möglich, die herrschende Varianz abzubilden. Jede Holzplatte, die durch die Anlage fährt, ist mit einem Barcode versehen und einem konkreten Auftrag zugeordnet. Die Stammdaten beinhalten ferner sämtliche Bearbeitungsabläufe. Abseits der gebotenen Qualität und Flexibilität zählt für Venjakob auch die Taktzeit – was betriebswirtschaftlich gesehen wenig überrascht. Tempo ist schon allein deshalb gefragt, da jedes Teil mit seinen vier Kanten auch viermal durch die von IMA gebaute ­Maschine fährt. Das Ein- und Umsetzen erledigen am Beginn und Ende der Maschine Portalsysteme. Konzipiert und gebaut sind die Dreiachs-Kinematiken von Kraft Maschinenbau aus Rietberg.

Intelligente Energieversorgung

„Die Geschwindigkeit der Portale wird immer höher“, stellt Kraft-Projektleiter Arthur Löwen fest. Bei Venjakob arbeiten die Portale mit bis zu zwölf Takten pro Minute. Damit hat die Maschine also pro Auftrag fünf Sekunden Zeit. In dieser Zeit sind also vier Hub-Abwärtsbewegungen und zwei Fahrbewegungen notwendig. Inklusive Aufnahme und Abgabe des Werkstücks. Bei diesem knapp skizzierten Ablauf wird sofort deutlich, dass der Leistungsbedarf beim Beschleunigen enorm ist, während beim Abbremsen wiederum reichlich Energie durch den generatorischen Effekt frei wird. Dieser Zusammenhang wirkt sich umso dramatischer aus, je höher die Leistung der Antriebstechnik projektiert ist. Beim größeren der beiden Portalsysteme bringen es allein die beiden synchronisierten Servoumrichter für die Hubachse auf jeweils 45 kW. Hinzu kommen jeweils 11 kW für die Regler der Hub- und Drehachse. Eingesetzt sind Einachsmodule Movidrive modular aus dem Automatisierungsbaukasten „Movi-C“ von SEW-Eurodrive.

Mit dem Ziel, die Lastspitzen wirksam zu begrenzen, haben die Bruchsaler Automatisierer gemeinsam mit Kraft Maschinenbau einen Energiespeicher mit Doppelschichtkondensatoren (Supercaps) projektiert. Dieser ist dafür ausgelegt, zeitlich versetzte Lastspitzen durch kurzfristiges Puffern zu glätten – mit dem Ziel, die Anschlussleistung auf das wirklich notwendige Maß zu begrenzen. Die Kondensatoren des modu­lar erweiterbaren Speichers nehmen dafür die Bremsenergie der Motoren auf und stellen diese über den DC-Zwischenkreis den Antriebsreglern wieder zur Verfügung, wenn diese im nächsten Teiltakt erneut beschleunigen. Durch diesen Aufbau haben es Kraft und SEW geschafft, die ohne diesen Speicher notwendige netzbezogene Spitzenleistung um 90 Prozent zu senken. Das gepufferte System harmonisiert die Netzbelastung auf eine kontinuierliche Leistung von 10 kW. Zyklische Schwankungen bis zu 100 kW Spitze gehören der Vergangenheit an. „Wir sind von 100 kW für beide Portale runter auf 10 kW“, betont SEW-Applikationsingenieur Martin Kampe.

Realisiert ist der Anlagenspeicher mit zwei getrennten Installationen. Für das Portal am Auslauf des „Kantenkreislaufs“ reichte eine in den Schaltschrank integrierte Lösung aus. Sie versorgt im Wesentlichen zwei Einachsmodule „Movidrive modular“ mit 30 und 22 kW Leistung. Hinzu kommen noch Doppelachsmodule für Rollenförderer und Breitenverstellungen, die allerdings mit jeweils 1 kW kaum ins Gewicht fallen. Den deutlich größeren Kondensatorverband für die mittig im Kantenkreislauf liegenden ­Portale hat Kraft Maschinenbau in einem separaten Schaltschrank installiert. Die Unterteilung in zwei Kreise begründet sich nicht aus energetischen Gesichtspunkten, sondern aus den Anfor­derungen der Steuerungsarchitektur heraus.

Die passende Auslegung zählt

Speicher ja, aber mit welcher Kapazität? Die Auslegung von Pufferspeichern gestaltet sich in der Praxis lösbar, gilt aber nicht als trivial. „Bei der Projektierung musst du schon genau hinschauen“, sagt SEW-Vertriebsingenieur Nils Gorges. Wichtige Informationen lassen sich aus der Antriebsauslegung ableiten, weitere Details steuert der Maschinenbauer aufgrund seiner Prozesserfahrung bei. „Wir brauchen einen sauberen Mittelwert für den Bedarf“, fasst Martin Kampe zusammen. Wer aus Angst überdimensioniert, gibt unverhältnismäßig viel Geld für den Speicher aus. „Gehen wir zu forsch heran und legen zu knapp aus, ist der Speicher leer, bevor der Takt zu Ende ist. Wir brauchen also den tatsächlichen Energiebedarf und Leistungsverlauf“.

Für Kraft Maschinenbau war es das erste Portalsystem, das die Materialflussexperten mit einem Speicher ausgerüstet haben. Das Thema genießt nach Auskunft von Arthur ­Löwen unternehmensweit eine entsprechend hohe Aufmerksamkeit. Die bei Venjakob gewonnenen Praxiserfahrungen zeigen, dass sich mit inte­grierten Energiespeichern Lastspitzen wirksam senken lassen. Damit verbunden sind sinkende Betriebskosten. Der Möbelbauer hat errechnet, dass der ROI bei rund sieben Jahren liegt. Nicht eingerechnet sind dabei allerdings die Kosten für einen Trafo, der ohne den Speicher wahrscheinlich notwendig geworden wäre. Für Nils Gorges liegen weitere Vorteile der Speichertechnik darin, dass im Vergleich zur Rückspeisung das Netz nicht mit Oberschwingungen belastet wird. Zudem sei es intelligenter und wirtschaftlicher, jede teuer bezogene Kilowattstunde so effektiv wie möglich zu nutzen – statt sie für wenige Cent zurückzuspeisen.

 

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